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Dabei haben die Gründungsväter der Ranzengarde seinerzeit einiges auf sich genommen, um bereits
          1905 den ersten Umzug zu organisieren. Die hohe Geistlichkeit, so ist in der Vereinschronik
          nachzulesen, ersuchte den damaligen Bürgermeister Caspar Lammert um ein Verbot.
          Nur drei Musikzüge

          „Der genehmigte allerdings unter Vorbehalt den Umzug, und damit war die Kappenfahrt ins Leben
          gerufen. Auch in den folgenden Jahren machte Pfarrer Gottfried Schaider immer wieder darauf
          aufmerksam, dass dieser unsittliche Umzug seitens der Kirche auf das Schärfste verurteilt werde.“
          Heute sprechen eher weltliche Dinge gegen den Lindwurm, der über Jahrzehnte am Tag vor
          Aschermittwoch für das Ende der Fastnacht stand. „Für dieses Jahr haben wir bislang nur drei
          Musikzüge“, bedauert Zühlke. Dabei beleben gerade diese einen Zug, der in Bürgels verwinkelten
          Gassen schon immer ohne große Motivwagen auskommt und stattdessen auf bunte, ideenreiche
          Fußgruppen setzt.

          Ein Hoffen auf Reaktionen

          Der Sitzungspräsident holt etwas aus: „Wir mussten in den letzten Jahren vermehrt feststellen, dass
          immer mehr Aktive von anderen Fastnachts- und Karnevalvereinen keine Möglichkeiten mehr haben,
          bei unserem Zug mitzuwirken.“ Die Gründe dafür seien vielfältig. So sei der Fastnachtdienstag in
          vielen Gegenden mittlerweile ein normaler Arbeitstag, „an dem es früher einen halben Tag frei gab.
          Das macht sich besonders bei Spielmannszügen bemerkbar, die teilweise lange Anfahrtswege in Kauf
          nehmen.“
          Jetzt hofft die Ranzengarde auf Reaktionen aller Offenbacher (Karnevalisten). „Wir sind zugänglich für
          alle Argumente“, erhofft sich Wolfgang Zühlke ernst gemeinte Aussagen und verspricht: „Wir nehmen
          des Volkes Meinung ernst.“ Ob sich dahinter der Schalk verbirgt, der damit auf aktuelle lokalpolitische
          Gegebenheiten abzielt, ist nicht herauszuhören.

          Sehr wohl findet der Sitzungspräsident zum Humor zurück, als die Redaktion vorschlägt, im Sinne der
          generellen Sparvorgaben des Regierungspräsidenten den Bürgeler und Bieberer Umzug zu
          fusionieren. „Erst, wenn die Stadt eine Straßenbahn vom Dalles an den Ostendplatz baut“, diktiert er
          verschmitzt in den Block.

          Klar, mit solchen Geschäften kennen sich die Bürgeler bestens aus. 1906 hatte die selbstständige
          Gemeinde einen Vertrag mit Offenbach geschlossen, dass die Eingemeindung Bürgels nach
          Offenbach „an dem auf die Betriebseröffnung der elektrischen Bahn folgenden 1. April“ vollzogen
          werden soll. Die Bahn nahm am 20. Oktober 1907 ihren Betrieb auf...
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